Vorab, dieser Beitrag beschäftigt sich sehr umfassend mit dem Thema „Wie lange stillen“ und zeigt u.a. auch die Vorteile auf, welches das Stillen für Mutter und Kind mit sich bringt. Und dieser Beitrag ist ganz klar pro Stillen. Aber gleichzeitig ist er nicht gegen das Geben von Säuglingsernährung mit einem Fütterbecher oder der Flasche. Getreu dem Motto leben und leben lassen, möchten wir nicht über eine andere Mama, ihre Entscheidung oder eine Situation urteilen.
In unserem Beitrag nehmen wir als ausgebildete Stillbegleiterinnen (DAIS) außerdem Bezug zum Thema Stillen und der breifreien Beikost und möchten dich hier informieren. Nimm dir aus diesem Beitrag das mit, was für dich wichtig ist – nutze gerne die Möglichkeit, auch andere, vertrauenswürdige Quellen zur Weiterbildung zu lesen.
Wie lange stillen ist normal?
Gleich vorab, ein für alle Stillbeziehungen gleich gültiges „normal“ gibt es nicht. Vielleicht fange ich damit an, dir die aktuelle Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bezug auf das Stillen vorzustellen. Die WHO empfiehlt ausschließliches Stillen (das bedeutet, dass das Baby keine anderen Nahrungen oder Flüssigkeiten (auch kein Wasser und kein Tee) außer Muttermilch bekommet. Die Gabe von Vitaminen, Mineralien und Medikamenten ist aber möglich) des Säuglings für 6 Monate. Danach wird empfohlen, zusätzlich zur geeigneten Beikost weiter zu stillen, bis das Kind 2 Jahre alt ist. Oder darüber hinaus, wenn Mutter und Kind es möchten. So ist eine Stillbeziehung auch als normal anzusehen, wenn sie ins Kleinkindalter oder darüber hinaus anhält. Die positiven Aspekte für die Gesundheit von Mutter und Kind bleiben bestehen.
Wie lange stillen Naturvölker?
Das sogenannte Langzeitstillen, welches es, wenn man jede Stillbeziehung als individuell und natürlich betrachtet, eigentlich so gar nicht gibt, wird oft Naturvölkern zugeschrieben. Tatsächlich ist es aber so, dass das natürliches Abstillalter zwischen 2,5 und 7 Jahren liegt. Vorher stillen sich die wenigsten Kinder intrinsisch ab – das heißt, von selbst aus. Leider werden Stillstreiks von vielen noch als Abstillen gedeutet.
Zu beachten wäre hier auch: Wird ein Kind, bevor es zwei Jahre alt ist, abgestillt, benötigt es meistens Ersatz für Muttermilch.
Weiter ist die Empfehlungen der WHO/UNICEF die, dass (wenn möglich und gewollt) gestillt werden soll. Wenn nicht gestillt wird/gestillt werden kann, kann mit der Hand oder Pumpe gewonnenen Muttermilch (der eigenen Mutter) gefüttert werden. Danach lautet die Empfehlung Frauenmilch von anderen Müttern zu geben oder wenn diese nicht zugänglich ist, auf Muttermilchersatznahrung auszuweichen.
Warum lange stillen?
Die Frage, nach dem warum „lange“ gestillt werden sollte oder welche Vorteile generell das Stillen eines Babys für Mutter und Kind mit sich bringt, kommt auch öfter auf. Und hier möchte ich gerne einige Vorteile einer Stillbeziehung nennen.
Man kann hier verschiedene Aspekte wie die Mutter-Kind-Bindung, die Entwicklung des Kindes sowie die Gesundheit der Mutter aber neben weiteren auch Nachhaltigkeit betrachten.
Vorteile des Stillens gegenüber Nichtstillen sind daher u.a.:
- Stillhormone wie Oxytocin und Prolaktin werden in höherem Maße ausgeschüttet und fördern das Vertrauen sowie die Bindung zwischen Baby und Mama
- Muttermilch enthält viele Inhaltsstoffe, die für die Entwicklung des Babys förderlich sind und u.a. die Hirn- oder Darmwandreifung positiv unterstützen bzw. beschleunigen
- Schnellere Rückbildung der Gebärmutter, geringeres Risiko für Brust- und Eierstockkrebs (pro 12 Monate stillen sinkt das Risiko für Brustkrebs um 4% – das heißt, werden 2 Kinder je 2 Jahre gestillt, ist das Risiko um 16% vermindert)
- Weniger Müll und weniger CO2-Ausstoß durch die Produktion von Pre-Nahrung
- Interessant ist der Fakt: Würden alle Kinder in Deutschland bis zum 1. Geburtstag gestillt, würden die Kosten für die Krankenkasse der gesamten Bevölkerung sinken.
Wie lange bringt stillen was?
Solange Mutter und Kind sich mit ihrer Stillbeziehung wohl fühlen, ist es sinnvoll, diese fortzusetzen. Die oben genannten Vorteile sprechen für sich. Und auch wenn das Stillen ab einem Zeitpunkt nicht mehr (oder nicht ausschließlich) dazu dient, Hunger und Durst zu stillen. So bringt es eben viele andere positive Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind sowie auch die Gesundheit beider mit sich.
Und so sollte die Einführung der Beikost oder die Eingewöhnung, in der Kita nicht ein abruptes Ende der Stillbeziehung bedeuten. Muttermilch darf auch wenn das Kind am Familientisch mitisst, weiter als zuverlässige Nahrungsquelle gesehen werden.
Gerade in Phasen, in denen etwas völlig Neues passiert, was dein Baby noch nicht kennt und was vielleicht verunsichert oder womit es gedanklich mehr beschäftigt ist, gibt der Moment des Stillens Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe.
Wie lange stillen ist medizinisch sinnvoll?
Auch wenn eine Mutter sich bewusst dazu entscheidet nicht zu stillen, sollte ihr geraten werden, dem Kind Kolostrum zu geben. Kolostrum ist die Milch für das Neugeborene und enthält immunkompetente Zellen, Immunglobuline und entwicklungsfördernde Stoffe. Es ist wie eine erste Impfung für das Kind zu sehen. Die Darmwand kann so mit Immunglobulinen ausgekleidet werden und ein Schutz vor Infektionen kann erfolgen.
Auch gibt es die Möglichkeit, wenn du dein Baby bereits abgestillt hast, eine Relaktation zu erreichen, wenn dies z.B. aufgrund einer Erkrankung für dein Baby hilfreich sein kann. Relaktation bedeutet, dass eine Mutter wieder Muttermilch produzieren und erneut stillen kann.
Folgendes Gedankenexperiment: Ein 14 Monate altes Kinder bekommt schwer Magen-Darm. Es „muss“ Flüssigkeit zu sich nehmen. Viele Kinder wollen das aber nicht, verweigern das Trinken. Das kann mit einem Krankenhausaufenthalt enden. Wird das Kind noch gestillt, kann es durch die Muttermilch mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt werden – denn das Stillen ist nicht neu sondern bietet auch bei Krankheit viel Sicherheit.
Wie lange stillen Neugeborenes?
Wichtig zu wissen ist, dass Stillen verschiedene Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Wärme und Sicherheit des Säuglings stillt und überlebenswichtig ist.
Dabei kann individuell nach dem Bedarf des Babys gestillt werden. Das kann in den ersten Tagen nach der Geburt bedeuten, dass in 24 Stunden acht bis 12-mal gestillt wird. Das beinhaltet auch das nächtliche Stillen.
Häufige kleine Mahlzeiten oder sogenanntes Clusterfeeding versorgen dein Baby und stillen die oben genannten Bedürfnisse.
Das Stillen sollte nicht nach Zeit, sondern nach dem Verlangen des Babys erfolgen. D.h. sowohl die Häufigkeit des Anlegens als auch die Dauer der Stillmahlzeit darf nach dem Verlangen und Tempo des Babys stattfinden. Aber auch nach dem Bedarf der Mutter. Das kann bedeuten, dass gestillt wird, wenn die Brust spannt oder Termine anstehen.
Wie lange stillen pro Stillmahlzeit?
Als Hebamme oder Stillbegleiterin, bekommt man von jungen Müttern, die das erste Mal stillen, die Frage gestellt, wie lange pro Stillmahlzeit gestillt werden soll. Die Stilldauer ist allerdings sehr individuell und hängt z.B. vom Alter bzw. der Fähigkeit und Saugstärke des Babys ab, aber auch davon, wie viel Milch die Mutter produziert. Weiter können das aktuelle Hungergefühl oder ob der Milchfluss nach der Geburt bereits angeregt wurde, ausschlaggebend für die Dauer einer Stillmahlzeit sein. Weder gibt es ein pauschales zu kurz oder zu lang. Manche Babys trinken sehr schnell und hastig, manche lassen sich sehr viel Zeit.
Stillen wie lange welche Brust?
Durch häufiges Anlegen sorgt das Baby dafür, dass ein Anstieg des Prolaktinspiegels erfolgt. Der Prolatin-Reflex wird auch als Milchbildungsreflex bezeichnet.
Der Oxytocin-Reflex wird als Milchspendereflex bezeichnet und kurze Zeit nach dem Anlegen an der Brust durch das Saugen des Kindes ausgelöst. Das passiert durch das Saugen an der Brust und das Zusammendrücken der Milchbläschen (durch das Oxytocin). Dadurch schießt die Muttermilch aus den Milchbläschen durch die Milchgänge zur Brustwarze.
Du kannst dein Baby also entweder pro Stillmahlzeit nur an einer Brust stillen oder an beiden anlegen. Je nachdem ob du sehr viel Milch hast, oder weniger, kannst du individuell mit einer Stillberaterin sprechen, ob z.B. Blockstillen für dich Sinn macht.
Wie lange stillen pro Brust Neugeborenes?
Die Neugeborenenmilch (Kolostrum) ist das erste, was das Baby nach der Geburt an der Brust zu sich nimmt. Es ist in geringen Mengen nach der Geburt vorhanden. Wenige Tage lange trinkt es die sogenannte Übergangsmilch und nach 1 bis 2 Wochen hat der Körper die reife Muttermilch gebildet.
Das Kolostrum enthält im Vergleich zur reifen Muttermilch mehr Proteine und Mineralien und weniger Fett und fettlösliche Vitamin. Es ist leicht verdaulich und fördert die schnelle Passage des Mekoniums (Kindspech). Außerdem hilft es dabei Neugeborenengelbsucht vorzubeugen. Es hat noch viele weitere Vorteile und fördert z.B. bei der Mutter die Rückbildung und beugt einer Wochenbettdepression vor.
Muttermilch besteht aus 87% aus Wasser. Im Verlauf einer Stillmahlzeit bleibt ihr Laktosegehalt gleich, aber der Fettgehalt steigt an. Sie wird sättigender und eine höhere Kalorienaufnahme erfolgt.
Ist es also sehr heiß, darfst du dein Baby häufiger kurz anlegen, um die durststillende Funktion der Muttermilch zu nutzen.
Interessant zu wissen ist an dieser Stelle sicher auch, dass der Magen eines Neugeborenen noch sehr klein ist. Als Orientierungsgröße findet hier der Vergleich mit der Faust des Babys statt. So trinkt ein Säugling zwischen 6 Wochen und 6 Monaten am Tag ca. 450 bis 1200 ml. Du siehst auch anhand dieser Menge, dass das sehr individuell ist.
Wie lange stillen und was danach?
Ich finde, dass nicht davon gesprochen werden sollte, was nach dem Stillen passiert. Denn oft ist der Gedanke, dass nur so lange gestillt wird, bis die Beikosteinführung ggf. mit Brei stattfindet. Hier besteht oft eine falsche Auslegung der S3 Richtlinien für Allergieprävention und eine frühe Beikosteinführung ab 4 Monaten wird auch von manchen Kinderärzten empfohlen. Hier ist es aber primär von großer Bedeutung, dass ein Baby die drei Beikostreifezeichen erfüllt und dann langsam an die Beikost herangeführt wird. Und BEIkost ist die Beigabe von Nahrung zusätzlich zur Muttermilch. Es wird also weiter gestillt und anfangs sehr wenig gegessen. Es geht dabei nicht darum, schnell die Milchmahlzeiten zu ersetzen, sondern (auch potenziell allergene) Lebensmittel am besten unter dem Schutz der Muttermilch einzuführen.
Wie lange stillen, wenn mein Baby breifreie Beikost bekommt?
Ein wie lange gestillt wird, wenn man breifreie Beikost einführt, lässt sich also auch nur individuell beantworten. Denn hier ist jedes Kind ganz anders und beginnt zu einem anderen Zeitpunkt mit der Beikost, lernt unterschiedlich schnell und gerne neue Lebensmittel kennen, isst unterschiedlich viel und hat einen ganz individuellen Bedarf an Stillmahlzeiten.
Und hier wird es immer wieder Phasen geben, auch wenn dein Kind schon Mengen isst, von denen es satt wird, in denen es vermehrt an der Brust trinken möchte. Das kann z.B. sein, wenn sich ein Infekt anbahnt, die Zähne kommen oder ein Entwicklungsschub stattfindet.
Wie lange stillen und wann zufüttern?
Weiter ist die Empfehlungen der WHO/UNICEF die, dass (wenn möglich und gewollt) gestillt werden soll. Wenn nicht gestillt wird/gestillt werden kann, kann mit der Hand oder Pumpe gewonnenen Muttermilch (der eigenen Mutter) gefüttert werden. Danach lautet die Empfehlung Frauenmilch von anderen Müttern zu geben oder wenn diese nicht zugänglich ist, auf Muttermilchersatznahrung auszuweichen.
In manchen Fällen kann es sein, dass Stillen nach Bedarf des Babys nicht ausreicht, ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Baby zu schläfrig ist oder Gedeihstörungen hat. Hier solltest du, wenn du unsicher bist, deine Hebamme oder eine Stillbegleiterin als Unterstützung anfragen, um eine Versorgung deines Babys sicherzustellen.
Darüberhinaus ist das Fachbuch Stillwissen von DAIS ein ganz tolles Buch, für alle, die sich tiefer und wissenschaftlicher mit der Thematik auseinandersetzen wollen.
Fazit: Wie lange stillen?
Dir sollte nach dem Lesen des Beitrags und nach den Empfehlungen der WHO klar sein, dass nur du und dein Baby individuell bestimmen, wie lange ihr stillen wollt. Du als Mutter darfst dich jederzeit dazu entscheiden abzustillen – wir hoffen nur, dass du z.B. bei Stillproblemen weißt, wo du dir Hilfe suchen kannst. Auch das Baby kann sich abstillen.
Jedoch kein Kinderarzt kann dir sagen, dass es mit dem Stillen jetzt reicht – auch keine Kita, die meint, es sei für die Eingewöhnung schlecht. Stillen schadet dem Baby weder bei der Beikosteinführung (im Gegenteil, es fördert die Verdauung) noch bei der Kita-Eingewöhnung. Halte bei Fragen und Problem gerne jederzeit Rucksprache mit einer Stillbegleiterin. Z.B. DAIS, EISL, IBLCL oder ASF (ehrenamtlich).
Ein toller und hilfreicher Beitrag, vielen Dank dafür!
Schade, dass bei diesen intimen Thema so viel von Außen ungefragt geratschlagt und beeinflusst wird.